Neue Vorwürfe gegen Bundespräsidenten
Wulff verschwieg Beziehung zu Geerkens
Bundespräsident Christian Wulff hatte weitergehende geschäftliche Beziehungen zu Egon Geerkens als bislang eingeräumt. Nach Recherchen von tagesschau.de war der Osnabrücker Geschäftsmann Mandant und Vermieter einer Rechtsanwaltskanzlei, für die der frühere niedersächsische Ministerpräsident über Jahre tätig war. Staatsrechtler werfen Wulff nach diesen neuen Informationen Verfassungsbruch vor. Der Bundespräsident bestreitet die Vorwürfe - dabei tauchen neue Unstimmigkeiten auf.
Von Peter Onneken, HR, für tagesschau.de
Zwischen Egon Geerkens und Ministerpräsident Christian Wulff habe es in den "letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben", erklärte die niedersächsische Landesregierung am 28. Februar 2010 in einer Fragestunde des Landtags.
Nach Informationen von tagesschau.de hat Wulff allerdings neben einem Kredit von Geerkens Ehefrau Edith weitere Verflechtungen mit Egon Geerkens verschwiegen. Denn der "väterliche Freund" war über Jahre Mandant der Osnabrücker Anwaltskanzlei Funk, Tenfelde und Partner. In dieser Kanzlei war Wulff über mehr als 15 Jahre tätig. Dies belegen zahlreiche Anwaltsschreiben, auf denen Wulff im Briefkopf geführt wurde: Noch im Oktober 2004 vertrat die Kanzlei Geerkens. Hinzu kommt: Der Unternehmer war bis 2007 sogar Vermieter der Kanzleiräume.
Wulff Großansicht des Bildes Zwar bereits Ministerpräsident, aber noch Außensozius: Christian Wulff wird auf dem Briefkopf der Kanzlei geführt. Diese vertrat noch 2004 den Unternehmer Geerkens.
Staatsrechtler: Verstoß gegen Landesverfassung
Für den hannoverschen Staatsrechtler Jörg-Detlef Kühne steht fest: Der Bundespräsident hat das Auskunftsrecht des Landtages missachtet: "Christian Wulff hätte diese Beziehungen offenlegen müssen. Mit seinem Verschweigen hat er ein weiteres Mal gegen die Landesverfassung verstoßen." Denn Artikel 24 Absatz 1 der Niedersächsischen Verfassung schreibt der Landesregierung vor, Anfragen "vollständig zu beantworten". Auf bloßes Nichtwissen kann sich Wulff nach Ansicht des Göttinger Staatsrechtlers Werner Heun nicht berufen, da Parlamentsanfragen nach bestem Wissen zu beantworten sind. "Das beinhaltet auch eine gewisse Nachforschungspflicht. Die Staatskanzlei wäre gut beraten gewesen, sich über die Beziehungen zwischen der Kanzlei und Egon Geerkens zu informieren."
Bundespräsident Wulff sieht laut Stellungnahme seines Rechtsanwalts Gernot Lehr, obwohl er als Anwalt der Kanzlei Funk, Tenfelde und Partner geführt wurde, keinen Verstoß: Gegenüber tagesschau.de erklärte Lehr, Wulff habe seine anwaltlichen Tätigkeiten 1994 abgeschlossen und danach keinerlei Einkünfte mehr aus der Anwaltstätigkeit erzielt.
Scan Anzeige Gratulation Funk Tenfelde Bundespräsident Wulff Großansicht des Bildes Die Kanzlei gratulierte "dem Kollegen" Wulff zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten. Dennoch stand Wulff mehr als 15 weitere Jahre auf dem Briefbogen der Kanzlei, wurde in mehreren Werbeanzeigen der Kanzlei als prominentes Kanzleimitglied aufgeführt. So gratulierte die Sozietät noch am 1. Juli 2010 in einer Anzeige in der Neuen Osnabrücker Zeitung "unserem Kollegen zur Wahl zum Bundespräsidenten". Auch in dieser Anzeige trat Wulff als Anwalt der Kanzlei in Erscheinung, wenn auch mit Verweis auf die ruhende Tätigkeit.
Wulff selbst hatte gegenüber dem Niedersächsischen Landtag außerdem stets andere Angaben gemacht. In den Handbüchern des Landtages hatte er noch 1999 erklärt, als "Rechtsanwalt in der Sozietät Dr. Funk, Prof. Dr. Tenfelde und Partner" tätig zu sein. Erst mit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im März 2003 habe er einen ständigen Vertreter bestellt.
"Absolut lebensfern"
Für diese Recherche befragte Anwälte reagieren zudem erstaunt, dass Wulff seinen Namen über mehr als 15 Jahre gratis einer Sozietät zur Verfügung gestellt haben will, ohne dafür honoriert worden zu sein oder Absprachen über eine spätere Kanzlei-Rückkehr getroffen zu haben. Der Geschäftsführer einer Großkanzlei etwa, die selbst ehemalige Regierungsmitglieder beschäftigt, nennt Wulffs Darstellung gegenüber tagesschau.de "absolut lebensfern": "Dass ein Politiker sein Renommee und damit ja auch seine Kontakte aus purer Nächstenliebe zur Verfügung stellt, ist mir nicht bekannt, üblich sind üppige Honorare" erklärte der Anwalt, der namentlich nicht genannt werden will.
Für Verfassungsrechtler Kühne ist es zudem letztlich egal, ob der heutige Bundespräsident mit seiner anwaltlichen Tätigkeit Geld verdient hat oder nicht. Schließlich trat Wulff auf dem Briefkopf und auf dem Kanzleischild wie ein Sozius auf. Das bedeutet, im Haftungsfalle wäre Wulff genauso zur Rechenschaft gezogen worden wie die anderen Kanzleimitglieder.
Dossier
Wulff (Foto: picture alliance / dpa)
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Die Osnabrücker Anwaltskanzlei selbst bestätigt gegenüber tagesschau.de, dass Wulff bis 1994 als Anwalt angestellt war und danach in ein freies Mitarbeiterverhältnis gewechselt sei. Diesen Vertrag habe er erst im Sommer 2011 aufgelöst. Bis dahin wurde er als Außensozius geführt. Mandanten habe er jedoch nicht mehr vertreten, so die Kanzlei.
Weiterer Grund für Klage vor Staatsgerichtshof
Dass Wulff die geschäftliche Beziehung zu Egon Geerkens verschwiegen hat, könnte ein weiterer Grund für eine Klage vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof sein. Alles hängt nun an den Abgeordneten des niedersächsischen Landtages. Für eine Klage nach Artikel 40 der Landesverfassung ist dafür aber eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Dazu müssten neben der Opposition allerdings auch Abgeordnete der CDU-Fraktion zustimmen. Realistischer scheint da eine Organklage nach Artikel 54, wie sie die SPD-Fraktion in Zusammenhang mit der Finanzierung des "Nord-Süd-Dialogs" anstrebt, denn hierfür ist keine Parlamentsmehrheit nötig.
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Stand: 30.01.2012 16:15 Uhr
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Kommentar85 Kommentare zur Meldung
Neuester Kommentar von 'palatius' am 30.01.2012 17:50 Uhr:
@Varana
Dies ist ein w i c h t i g e s Thema, denn es geht schließlich um das Ansehen von Deutschland 1 Ist das nicht zu verstehen ?......
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WulffNiedersachsenLandesverfassungGeerkensAnwaltskanzlei
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